Für die Welternährung, den Klimaschutz und das Tierwohl fiel jüngst eine denkwürdige Entscheidung. Erstmals darf in den USA aus Zellkulturen gezogenes Fleisch produziert und veräußert werden. Die beiden kalifornischen Food-Techs „Good Meat” und „Upside Foods” bekamen von Seiten des US-Landwirtschaftsministeriums die Zulassung für Herstellung und Verkauf von Hähnchenfleisch aus dem Labor. Kultiviertes Fleisch, auch oft als „Clean Meat“ oder „In-vitro-Fleisch“ bezeichnet, soll „sauberer“ und besser sein als herkömmliches Fleisch. Doch stimmt das wirklich?
Wie wird Laborfleisch hergestellt?
In-vitro-Fleisch wird unter Laborbedingungen hergestellt. Als Grundlage sind natürlich tierische Zellen nötig. Dazu wird einem lebenden oder geschlachteten Tier Muskelgewebe entnommen. Das bekannteste Verfahren ist die invasive Gewinnung von Zellen über Muskelbiopsien vom lebenden Tier, was Schmerzen und Stress verursachen kann. Aus dem Gewebe werden Stammzellen gewonnen und mit einem Nährmedium im Bioreaktor vermehrt. Dann durchlaufen die Zellen verschiedene Stadien und entwickeln schließlich Muskeln. Über ein Trägergerüst wachsen sie zu einer größeren Masse zusammen und es entstehen dünne Fleischschichten. Zusätzlich werden in ähnlicher Weise Fettzellen gezüchtet, um zusammen mit dem Muskelgewebe den Geschmack von Fleisch nahe zu kommen.
Damit sich die Fleischzellen in der Kultur immer wieder teilen, sind geeignete Kulturmedien erforderlich: Nährstoffe, Fette, spezielle Proteine, Hormone, Signalmoleküle und vor allem Wachstumsfaktoren – allesamt ein hochkomplexes Gemisch.
Goldgräber-Stimmung rund um Invitro-Fleisch
Der erste Rindfleisch-Burger, der „im Labor“ entstand, kostete noch 250.000 Euro. Mark Post, Physiologie-Professor an der Universität Maastricht, hatte über Jahre daran gearbeitet. Als er ihn 2013 präsentierte verkündigte er auf großer Bühne, dass es noch zehn Jahre dauern werde, bis eine Massenproduktion möglich sei. Nun rückt dieses Ziel näher und Post ist mit seinem Unternehmen Mosa Meat längst nicht mehr allein.
Nach einem Bericht in Nature waren es 2021 bereits 50 Unternehmen, die Fleisch und Fisch im Labor produzieren wollen, dazu kommen 30 weitere als Zulieferer. Good Food Institute, der Think Tank der jungen Branche, listet 107 Unternehmen auf, die daran arbeiten, verschiedene, ursprünglich tierische Produkte – Fleisch, Fisch, Milch, Eier – auf Basis der „zellulären Landwirtschaft“ herzustellen.
Das erste, zunächst nur begrenzt erhältliche Produkt waren Chicken Nuggets und andere geformte Hühnchenstücke. Nach zweijähriger Prüfung waren sie 2019 in Singapur zugelassen worden. Im März 2023 folgte die US-Lebensmittelbehörde FDA. Sie bestätigte dem Hersteller GOOD Meat, alle Fragen zu Sicherheit seien geklärt und der Verzehr unbedenklich. Ein paar Monate später kam auch die Zulassung der Landwirtschaftsbehörde USDA. In vitro-Hühnchen-Fleisch – ebenso wie das des Konkurrenten Upside Foods – darf in den USA nun hergestellt und in allen Bundesstaaten frei vermarktet werden. Beide Unternehmen kündigten an, ihr Lab-grown Chicken in einzelnen renommierten Restaurants anbieten zu wollen. Nun will GOOD Meat rasch mit der Produktion beginnen. Ein 6000-Liter-Bioreaktor in Singapur stehe kurz vor der Fertigstellung, ein weiterer mit einer Kapazität von 3000 Litern soll in Kalifornien noch 2023 in Betrieb gehen, so das Unternehmen.
US-Sterneköche wollen Laborfleisch anbieten
Und nun hat Sterneköchin Dominique Crenn aus San Francisco schon für ihr Restaurant Fleisch von „Upside Foods” geordert und der Washingtoner Restaurantbesitzer José Andrés wartet bereits ungeduldig auf die ersten Produkte von „Good meat”. Doch was wohl zuallererst in US-Edel-Restaurants der auf den Tisch kommen wird, soll in Kürze an Verbraucher:innen in der größten Volkswirtschaft der Welt verkauft werden. „Diese Zulassung wird grundlegend verändern, wie Fleisch auf unseren Tisch kommt”, erklärte der Chef von Upside Foods, Uma Valeti. „Es ist ein riesiger Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft – einer Zukunft, die Auswahl und Leben bewahrt.”
Neue Studie: Deshalb ist Labor-Fleisch umweltschädlich
Dass der weltweite Fleischverbrauch auch ein Treiber des Klimawandels ist, wird kaum noch bestritten. Da würde die Umstellung auf In-vitro-Fleisch wohl Abhilfe schaffen, meinen Befürworter der Methode. Kritiker stellen allerdings die Frage, ob bedingt durch den hohen Energieverbrauch bei der Herstellung, Laborfleisch auch tatsächlich umweltfreundlicher als herkömmliches Fleisch ist.
Das zeigt jetzt auch eine Preprint-Studie von der University of California, die zeigt, dass das Labor-Fleisch wesentlich schlimmere Auswirkungen auf die Umwelt hat als das Rindfleisch aus klassischer Zucht.
Um das im Labor hergestellte Fleisch mit dem echten Fleisch aus klassischer Tierzucht zu vergleichen, führten die Forschenden eine Analyse des Energiebedarfs und der Treibhausgasemissionen aller Produktionsschritte beider Varianten durch. Dabei kam heraus: Beim Labor-Fleisch kommen hochraffinierte oder gereinigte Wachstumsmedien zur Vermehrung tierischer Zellen zum Einsatz, was der Herstellung von Arzneimitteln ähnelt.
„Wenn die Unternehmen diese Wachstum-Medien auf pharmazeutisches Niveau reinigen müssen, verbrauchen sie mehr Ressourcen”, erklärte der Hauptautor und Doktorand Derrick Risner vom Department of Food Science and Technology. Der Studie zufolge sei das Treibhauspotenzial von Laborfleisch nach aktuellen Herstellungsverfahren zwischen vier und 25 mal größer als beim Rindfleisch aus konventioneller Zucht.